Wasserrutschen

Herr Braun guckt in die Röhre

Rainer Braun hat einen Beruf, für den ihn Kinder und Erwachsene lieben: Er erfindet Wasserrutschen für Spaßbäder. Mit Lichteffekten, wilden Abfahrten und steilen Kurven. Vor manchen seiner Rutschen hat er selbst Angst, erzählte der Ingenieur Dein SPIEGEL, dem Nachrichtenmagazin für Kinder.

Wenn es etwas zu feiern gibt, packt Rainer Braun seine Badehose ein. Die ist sozusagen seine Festtagskleidung. Denn dann hat er eine Arbeit fertiggestellt, dann wird sein Werk eingeweiht. Und deshalb steht Rainer Braun, ein freundlicher Herr, jetzt am Beckenrand und schaut sich an, wie die anderen seine Arbeit finden.

Und offenbar hat er diesmal wieder was Feines gebaut, man sieht es an den Kindern im Schwimmbad. Beispielsweise an Jessica: Die 13-Jährige rennt 97 Treppenstufen hoch, immer und immer wieder, sie nimmt gleich mehrere Stufen auf einmal. Oben, unter dem Dach des Erlebnisbads am Weissenhäuser Strand an der Ostsee, beginnt eine rote Röhre: der Start einer riesigen Wasserrutsche.

Jessica kennt das Schwimmbad gut, sie wohnt in der Nähe. Schon oft ist sie dort auf der steilen gelben Rutsche gerutscht und auf der grünen, bei der drei Leute nebeneinander ins Becken sausen können. Die rote Rutsche, für die man so viele Treppen laufen muss, ist neu. Rainer Braun hat sie entworfen, heute wird sie eingeweiht.

In der Röhre klettert Jessica auf einen aufgeblasenen Reifen, sie hält sich fest - dann beginnt die Fahrt. Erst geht es noch fast gemütlich zu, die Wand an der ersten Kurve ist hübsch bemalt: Pflanzen, ein Wal und ein Hai mit offenem Maul. In den nächsten Kurven schon dreht der Reifen wie ein Kreisel und schwankt hin und her. Als Nächstes kommt ein gerades Stück, in dem die Röhre breiter, flacher und fast schwarz wird - richtig düster. Doch nun tauchen weiße Ringe auf. Es scheint, als ob der Reifen immer schneller wird, während er durch die Ringe rast.

Jessica sieht Punkte auf dem Wasser, ein Lichtspiel wie in einer Disco, und schießt zum Ausgang. Sie zieht den Reifen aus dem Wasser und rennt wieder zur Treppe. "Voll cool", sagt sie, "der Aufstieg lohnt sich."

Rainer Braun und seine Rutsche

In der Reifen-Rutsche fühlt man sich wie in einem Rennauto

In Deutschland gibt es ungefähr 400 Spaß- und Freizeitbäder, die ziemlich viel Geld kosten. Ständig muss man das Wasser in den Anlagen säubern und heizen. Und man muss den vielen Menschen, die dort arbeiten, Gehalt zahlen. Fast alle Bäder machen deshalb Verluste.

Tolle neue Rutschen sollen nun mehr Gäste locken. Die meisten davon sind für Familien gedacht, also für Erwachsene und Kinder. Doch es entstehen auch immer mehr Rutschen für besonders mutige Menschen: Kamikaze-Rutschen, bei denen man mehrere Meter tief frei fällt, oder Schleifen-Rutschen, die den Körper kreisen lassen. Durch manche Röhren rast man mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometern und damit schneller, als Autos in der Ortschaft fahren dürfen.

Die rote Reifen-Rutsche an der Ostsee ist nicht ganz so abenteuerlich, aber mit über 200 Metern besonders lang. In ihr soll man sich wie in einem Rennauto fühlen. "Man kann sogar seinen Vordermann überholen", sagt der Ingenieur Rainer Braun. Allerdings nur auf den ersten Metern. Danach wäre es zu gefährlich.

Wenn Rainer Braun eine neue Rutsche entwirft, muss er darauf achten, dass sie sicher ist. Und das ist gar nicht so leicht, weil die Rutsche viel aushalten muss: Jede Minute sollen sie bis zu 25 Menschen nutzen können, große, kleine, dicke und dünne. Und niemand soll sich die Haut an scharfen Kanten aufschürfen oder sich den Kopf in der Röhre stoßen.

Deshalb müssen alle Rutschen in Europa die gleichen Sicherheitsregeln erfüllen: Zum Beispiel darf die Röhre nicht kleiner als 80 Zentimeter im Durchmesser sein, sonst kriegen die Leute Platzangst.

Rainer Braun probiert die Rutsche oft als Erster aus

Bei jeder neuen Rutsche muss sich Rainer Braun überlegen: Welche Kräfte wirken auf den Körper, wie hoch wird er in den Kurven geschleudert? Physik war früher sein Lieblingsfach, das zahlt sich nun aus.

Gebaut wird so eine Rutsche schließlich aus Einzelteilen, die schon fertig aus der Fabrik kommen. Arbeiter brauchen sie bloß wie Bausteine ineinanderzusetzen. Zum Schluss seilen sich Leute in der Rutsche ab und polieren die Wände von innen schön glatt.

Oft ist Rainer Braun der Erste, der eine neue Rutsche ausprobieren muss. Einmal hätte er sich einen solchen Test fast nicht getraut. Die Rutsche hatte einen sogenannten Raketenstart: Ein Countdown zählte "drei, zwei, eins", danach sollte sich eine Falltür öffnen, so dass man senkrecht in die Röhre fällt. Doch noch während des Countdowns sprang Rainer Braun wieder aus der Kabine. "Ich hatte zu große Angst", gibt er zu. Zweimal passierte das. Erst beim dritten Versuch war der Ingenieur tapfer und blieb auf der Falltür stehen. Er fiel, rutschte und kam heil unten an. "Ich war sehr erleichtert", sagt er.