Wasserrutschen

Das oberste Gebot: Hintern hoch

Rottweil - Immer wenn Jens Scherer in die Röhre schaut, schießt ihm das Adrenalin durch die Adern. "Das ist der Kick dabei", beschreibt der 29-Jährige aus Liptingen bei Tuttlingen sein Faible für das Wasserrutschen.

Dabei hat alles harmlos angefangen. Vor sieben Jahren meldet er sich zum Spaß bei den ersten Süddeutschen Meisterschaften im Wasserrutschen im Erlebnisbad Aquasol in Rottweil an. "Da wurde die neue Rutsche eingeweiht und es ging darum, wer sie als schnellster bezwingt - ähnlich wie beim Rennrodeln. Ich habe vollkommen unerwartet gewonnen", erinnert sich der mehrfach ausgezeichnete Rutschmeister. Der Preis: eine Reise an die Ostsee zu den Deutschen Meisterschaften im Rennrutschen. "Dort habe ich einen neuen Bahnrekord aufgestellt", erzählt Scherer.

Und so landete der Mediengestalter zufällig in einer Trendsportszene, die seit zwei Jahren innerhalb des Deutschen Rennrutschverbands organisiert ist und momentan einen Hype erfährt - zumindest hat ein Fernsehsender sich Jens Scherer quasi als Haus-und-Hof-Wasserrutscher gebucht. "Die Macher der Pro-Sieben-Sendung ,Galileo' haben einen Narren an dem Thema gefressen. Ich war mehrfach der Protagonist in TV-Beiträgen über das Wasserrutschen." Kein übler Zeitvertreib: eine Reportage über das High-Speed Rutschen in Lazise am Gardasee hier, ein Beitrag über die höchste Rutsche der Welt in Rio de Janeiro dort.

Dem Vorsitzenden des Deutschen Rennrutsch-Verbands, Rolf Allerdissen, kann die Medienpräsenz nur recht sein. Er ist es, der die Sportart zu einem Massenphänomen machen will. "Ich wäre glücklich, wenn irgendwann am Bahnhof ein Schild mit der Aufschrift ,Willkommen in der Rutschenstadt' angebracht würde", sagte der Osnabrücker bei der Gründung des Verbands vor gut zwei Jahren.

Spitzengeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern

Die offizielle Definition des Sports lautet: "Rennrutschen, international auch ,Speedchuting' genannt, wird auf Wasserrutschen durchgeführt, bei denen das Wasser die Rutschfläche hinunterläuft und so die Reibung zwischen der rutschenden Person und der Rutschfläche verringert. Mit durchschnittlich 30, in der Spitze mit 50 und mehr Kilometern sausen Rennrutscher durch die Röhren."

Solche Geschwindigkeiten sind für Jens Scherer längst Peanuts. Erst kürzlich sicherte er sich den Weltrekord im Geschwindigkeitsrutschen: Mit 91,34 Kilometer pro Stunde flog er quasi die höchste Rutsche der Welt in Brasilien hinunter. Sie ragt 49,9 Meter in den Himmel. "Das ist der Wahnsinn", sagt Scherer. "Die Fliehkräfte, die auf den Körper wirken, sind immens. Das sind echte Schmerzen." Und nichts für Ungeübte.

Ungefährlich ist der Spaß nämlich nicht: "Vor allem die halben Röhren, also offene Rutschen, sind bei solchen Geschwindigkeiten gefährlich. Da haut es einen in den Kurven an den oberen Rand, das ist nicht lustig." Verletzungen hat sich Jens Scherer bisher keine zugezogen, dafür ist ihm jede Menge Adrenalin durch die Adern geschossen. Am Gardasee, auf einer der steilsten Rutschen in 32 Metern Höhe, verliert der Rutscher circa zwei Meter lang den Kontakt zur Rutsche, man schwebt also knapp über dem Wasserfilm. "Da hat man das Gefühl zu fliegen."

Das Wichtigste ist die Technik

Das Wichtigste beim Rennrutschen ist die Technik. Das oberste Gebot lautet: Hintern hoch. Durchgesetzt hat sich das "magische Dreieck", auch Drei-Punkt-Technik genannt. Dabei liegt man nur mit den Schulterblättern und den Fersen auf. Der Körper berührt die Rutsche kaum, die Reibung minimiert sich und man rutscht schneller. "Die Körperspannung ist dabei ganz wichtig", erklärt der Profi.

Ein Mindestmaß an Sportlichkeit sollte man also mitbringen. Jens Scherers Liste an sportlichen Hobbys ist lang: Mountainbike fahren, Inlineskaten, Kitesurfen, Snowboarden. Und seine Titelliste im Wasserrutschen liest sich wie die eines Profisportlers: Guinnessweltrekord im 42-Kilometer-Marathonrutschen 2009, Deutscher Meister im Rennrutschen 2008, Deutscher Meister im Rutsch-Fünfkampf 2008, Deutscher Meister im Mannschaftsrutschen 2007 und so weiter und sofort. Scherer: "Es gibt inzwischen einige Rutschstile: klassisch auf Zeit, mit mehreren Durchgängen als Ausdauer-Rutschen, mit Hilfsmitteln wie dem Wok oder dem Bobbycar oder auch als Extremrutschen auf Höchstgeschwindigkeiten." Bei letzterem hat Jens Scherer vor ein paar Monaten in Brasilien den Hintern weit genug nach oben gehalten - und deshalb jetzt die Nase vorn.

Die höchsten Rutschen der Welt

1. Kilimanjaro, 49,9 Meter, Águas Quentes Country Club, Barra do Piraí, Rio de Janeiro (Brasilien)

2. Insano, 41 Meter, Beach Park, Fortaleza (Brasilien)

3. Summit Plummet, 36,5 Meter, Disney's Blizzard Beach, Orlando (Florida, USA)


Höchste und längste Rutschen in Europa

Längste Körperrutsche: Titano Roller, 276 Meter Odissea 2000, Rossano (Italien)

Höchste Körperrutsche: Stukas, 32 Meter, Aquaparadise, Lazise sul Garda (Italien)

Höchste Reifenrutsche: Spacemaker, 42 Meter, Aqualandia, Jesolo (Italien)


Rekordrutschen in Deutschland

Längste Reifenrutsche: Magic Eye, 356 Meter, Galaxy Erding (Erding)

Längste Körperrutsche: Blue Slide, 158 Meter, Ostseetherme (Scharbeutz an der Ostsee)

Höchste Körperrutsche: Turbo Rutsche, 25 Meter, Tropical Islands (Krausnick)


Noch mehr Rutschen und Rekorde unter www.wettrutschen.de

Siehe auch:
>> Nachgefragt beim TÜV Süd: Auf der Suche nach dem Kick