Auf den letzten Metern wird es gefährlich

Der Aufstieg zum Turm ist beschwerlich. Stufe für Stufe humpelt Maik-Christian Welbing seinem Ziel entgegen. Seine linke Wade, die im Durchgang zuvor so unglücklich mit dem Rand des Auslaufbeckens kollidiert war, durchzuckt bei jedem Schritt ein beißender Schmerz. Selbstmotivation: "Nur noch einmal, das ist wirklich das letzte Mal heute", sagt er, um schließlich beim Absprung in die Röhre ein rasendes "ab jetzt" rauszubrüllen.

Die norddeutsche Rennrutschmeisterschaft im Nettebad steht jetzt kurz vor der Entscheidung. "Wer hier heute mitmacht, kitzelt alles aus sich heraus", sagt Carsten Bücken. Der Organisator der Meisterschaften ist zufrieden. Anders als noch bei den Vorläufen vor einer Woche, drängen sich an diesem Samstag Dutzende Rennrutscher am Ausgang des "schwarzen Lochs", wie die 86 Meter lange Röhrenrutsche im Nettebad unter Profis genannt wird. Sie gilt als Monaco der Rennrutscher - keine Hochgeschwindigkeitsstrecke, dafür enge Links-rechts-Kombinationen, die es in sich haben. "Man darf es nicht übertreiben, besonders auf den letzten Metern wird es gefährlich", sagt Bücken. Ein Rat, der von den meisten Teilnehmern bestenfalls zur Kenntnis genommen wird.

Wie eine Kanonenkugel kommt Maik-Christian Welbing nach weniger als 12 Sekunden aus der Röhre geschossen - zu langsam. Der Kampf um Platz drei ist verloren. Die Verletzung war schuld, wird er später sagen. Andere sind schneller: Peter Hansemann aus Verden etwa. Er stellt mit 10,90 Sekunden die Bestzeit des Tages auf.

Sieger ist er trotzdem nicht. Im Rennrutschen "geht es um konstante Leistung", sagt Bücken. In der Vorrunde rutscht deshalb jeder Teilnehmer dreimal, die schlechteste Zeit wird gestrichen, die beiden anderen Ergebnisse werden addiert. In der Endrunde der besten 32 treten dann jeweils zwei Rutscher gegeneinander an. Wer zweimal gewinnt, kommt weiter: Viertelfinale, Halbfinale, Finale: "Ich habe schon jetzt gewonnen", sagt Hansemann trotzdem. Eigentlich ist er Außenseiter, hatte bis vor einer Woche noch nie etwas von der legendären Drei-Punkt-Technik gehört, dem Frühstücksbesteck jedes professionellen Rennrutschers. Jetzt ist er euphorisiert, will den Titel. Nicht nur er strahlt vor dem letzten Durchlauf des Tages. Die Spannung hat ihren Höhepunkt erreicht. Jetzt zählt nur noch das Finale im "schwarzen Loch":

Die Chronologie des Herzschlagfinales: 11,01, 11,04, 11,11, 11,01, 11,02, 11,03. Nur Zehntelsekunden trennen die beiden besten Rutscher im direkten Schlagabtausch. Schließlich kann es nur einen geben: Thorsten Soijka aus Hamburg gewinnt. Neuling Hansemann unterliegt knapp, ist aber glücklich: "Heute habe ich meinen neuen Sport gefunden", sagt er. Als schnellster Osnabrücker kam Raphael Matschullat auf Platz 3.

Die erfolgreichsten Rutscher im Überblick: Klasse 1 (Herren): Thorsten Soijka. Klasse 2 (Frauen): Christiane Hörrmann, Klasse 3 (Jugendliche): Marcel Hemesath. Klasse 4 (Kinder): Arling Lota, Belm 13,94.