Rasanter Röhrenritt Startschuss um 11Uhr

Im Freizeitbad Atlantis gesucht: der Deutsche Pokalsieger im Rennrutschen.

Vor dem Wettkampf am Sonntag testete die WAZ die Strecke, eine Bahn mit dem Namen "Schwarzes Loch"

Dorsten. Bis nach oben sind es 62 Treppenstufen. Knapp zwölf Meter hoch und über 114 Meter in der Röhre geht es halsbrecherisch herunter. Oben halten sie sich an einer Querstange fest, nehmen Schwung und stürzen sich in die Dunkelheit. Am Ende werden sie blaue Flecken haben und vielleicht geprellte Rippen. Aber das gehört nun einmal dazu, wenn man Rennrutscher ist. Am Sonntag ermitteln Deutschlands schnellste den Pokalsieger im Freizeitbad Atlantis.

"Orientierungsverlust möglich", steht neben dem Eingang zur Rennröhre. Die Pokalrutsche hält, was das Warnschild verspricht. Hat man sich erst einmal in den bewässerten Kanal gestürzt und Fahrt aufgenommen, ist die nächste Kurve nur an den bunten Leuchtfäden und kleinen Lämpchen zu erkennen. "Black Hole", schwarzes Loch, haben sie die Rutsche getauft. In schwarzen Löchern im Weltall zieht die Gravitationskraft so stark von allen Seiten, dass sich Raum und Zeit krümmen. Eine Ahnung davon, was die Physik damit meint, bekommt der Rutschentester in dem Abschnitt völliger Dunkelheit: Wie, bitte, geht´s denn nun weiter? Rechtskurve, Linkskurve? Gut, dass eines gewiss ist: Unten kommen sie alle raus. Mit einem Riesenplatsch ins Auffangbecken, im Hellen. Die Frage am Sonntag ist aber: Wie am schnellsten?

"Am schnellsten ist man auf dem magischen Dreieck von Schulterblättern und einer Ferse", erklärt Rolf Allerdissen. Rücken, Hintern und Beine sollten durchgedrückt bleiben, um unnötige Reibung zu vermeiden. Der Mann ist Vorsitzender, Geschäftsführer und Bundestrainer des Deutschen Rennrutsch Verbandes in Personalunion und hat einmal nachgerechnet, dass er ungefähr 14 bis 18 Kilometer pro Jahr rutscht. Die schnelle Sause macht Allerdissen seit rund 20 Jahren. Der Mann hat jede Menge Erfahrung in der Wasserbahn. Für die 114 Meter durch Dorstens schwarzes Loch dürfte der Sieger eine Zeit zwischen 14 und 15 Sekunden benötigen, schätzt er. Eine rasante Rinne, findet der Fachmann. "Ungeahnte Richtungswechsel, scharfe Kurven. Da hat der Ingenieur ein gutes Produkt abgeliefert. Es muss brezeln, und das tut diese Rutsche", gerät Allerdissen ins Schwärmen.

Paragraf 13 der Deutschen Rennrutsch Ordnung (ja, die gibt es wirklich!) schreibt für Wettkämpfe das Rutschen in Rückenlage oder Sitzposition mit den Füßen voran vor. Gleitmitteldoping führt übrigens laut Ziffer 12 zur Disqualifikation: "Eincremen oder Einfetten von Körperteilen oder auch ein Anbringen von Zusatzgewichten bzw. Folien ist nicht gestattet." Brauchen die Profis aber ohnehin nicht. Ihre Endgeschwindigkeit: ungefähr 40 Stundenkilometer.

Deshalb hat sich Jens Scherer aus Liptingen am Bodensee den Spitznamen "Der Galaktische" zugelegt. Scherer ist so etwas wie der Hackl Schorsch der Rutsche: fünfmaliger Deutscher Meister und Titelanwärter für die EM 2008. Eigentlich bringt Gewicht Geschwindigkeit, aber Scherer ist der leichteste unter den Rutschenrasern. Die Konkurrenz ist bisher verzweifelt angesichts seiner guten Technik.

In Dorsten jagen den Meister Tempo-Gleiter wie "Lichtflitzer" Holger Wienzek, "Iceman" Carsten Bücken oder "Röhrengott" Christian Tschentscher, sie sind fürs Viertelfinale gesetzt. Vier von maximal sieben Rennen muss man gewinnen, um ins Finale zu kommen. In der Vorrunde zählen die zwei schnellsten von drei Versuchen.

Vielleicht behält ein Herausforderer die Orientierung besser als Meister Scherer. Durch diese dunkle Gasse muss er kommen, der frischgebackene Pokalsieger. Also: Guten Rutsch!Der Deutschland-Pokal des Deutschen Rennrutschverbandes startet am Sonntag, 8. Juli, um 11 Uhr mit einem 30-minütigen Aufwärmen, in dem sich die Teilnehmer mit der "Black Hole"-Rutsche vertraut machen. Nach einer Stunde sollen die Gegner der gesetzten Viertelfinalisten ermittelt sein, um 12.30 Uhr geht es in die heiße Phase der Halbfinal- und Finalläufe.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine, www.waz.de,
Text: Christoph van Bürk, Bilder: Lutz von Staegmann