Tempo 50 in Rückenlage

Holger Wienzek bei Deutscher Meisterschaft im Rennrutschen auf Platz 6

Porta Westfalica-Kleinenbremen (Ly). Wer schnell sein will, muss leiden. Die Knochen poliert hat sich Holger Wienzek ganz schön bei der Deutschen Meisterschaft im Rennrutschen. Aber der Kleinenbremer war auch verdammt schnell: Platz 6 unter 81 Startern - nicht schlecht für einen Newcomer.

Von Stefan Lyrath

Nein, die Regel sind Verletzungen in diesem rasanten Sport nicht, obwohl die Herren bei Tempo 50 in Rückenlage nur Badehose tragen, die Damen Bikini. Doch Wienzek (40) kannte die 158 Meter lange Rutsche in der Ostseetherme Scharbeutz noch nicht, vor allem die fiese Kuppe, fast schon eine Sprungschanze. Und der amtierende norddeutsche Meister ist nun mal ein Draufgänger. Alles oder nichts.

Ein Blutbeutel am Ellenbogen, schmerzhafte Prellungen am Rücken und beiden Hüftgelenken: An seine Blessuren verschwendet Wienzek, ein sportlicher Typ mit Nehmer-Qualitäten, trotzdem keinen Gedanken. "Den Jens Scherer packe ich mir beim nächsten Mal", hat er sich geschworen.

Seriensieger Jens Scherer (Rottweil) gewinnt seit Jahren alles, was es zu gewinnen gibt im Rennrutschen. Pro Lauf nimmt er der Konkurrenz locker eine halbe Sekunde ab. Das sind Welten. Unterm Strich fehlten Wienzek in Scharbeutz am Ende 3,5 Sekunden auf Scherer. In der Addition seiner vier Läufe kam er auf eine Gesamtzeit von 79,43. "An Jens reicht keiner ran", sagt der Kleinenbremer. Noch nicht.

In seine Sportart ist Holger Wienzek so reingerutscht. Eigentlich wollte der Familienvater vor knapp zwei Jahren nur seine zwei Kinder zu einem Wettbewerb in Bückeburg begleiten. Doch dann leckte er Blut, machte mit und wurde auf Anhieb Zweiter bei der Stadtmeisterschaft. Den Titel holte der 40-Jährige sich dann 2006.

Als Wienzek kürzlich auch noch im Stadthäger Hallenbad "Tropicana" die Norddeutsche Meisterschaft in der Gewichtsklasse über 70 Kilogramm gewann, horchte die Konkurrenz auf. Sein Spitzname: "Lichtflitzer". Eine Anspielung darauf, dass Wienzek angeblich fast mit Lichtgeschwindigkeit durch die Röhre flitzt, was freilich eine leichte Übertreibung sein dürfte, gleichzeitig aber den Respekt der Sportskameraden ausdrückt.

Auf beiden Schultern und einer Hacke

Obwohl der Portaner noch nicht lange dabei ist, gilt seine Technik bereits als ausgefeilt: Mit erhobenem Hintern geht`s auf beiden Schultern und einer Hacke durch die Röhre. Nur diese drei Punkte des Körpers berühren die Bahn. Das macht zwar etwas labil - aber auch rasend schnell. Am Start hilft es, ein guter Reckturner zu sein.

"Es ist faszinierend, an der Technik zu arbeiten und immer schneller zu werden", schwärmt Wienzek ("Fast wie beim Rennrodeln") und nennt ein Beispiel: "Enge Kurven rutscht man am besten nicht im Wasser, sondern lässt sich nach oben raustragen, weil Wasser bremst. Aber jede Röhre ist anders, eine Wissenschaft für sich."

Keine Angst vor 320-Meter-Röhre

Ein zusätzlicher Reiz liegt also darin, die Rutsche in den Griff zu kriegen. In Scharbeutz, wo das 158 Meter lange und äußerst anspruchsvolle Ungetüm steht, ist dies nicht ganz gelungen. "Nach einem Sprung bei Tempo 40 folgt gleich eine Rechts-Links-Schikane", erzählt Holger Wienzek. Wer da verwachst, hat schon verloren. Und wer bei hohen Geschwindigkeiten nicht die Kurve kriegt, riskiert Verletzungen. Hinzu komme, dass in einigen deutschen Röhren die Fugen nicht optimal verarbeitet seien.

Demnächst will Wienzek mit seiner Mannschaft "speedchuting.de" (Osnabrück), bei der "Deutschen" hinter "Aquasol" Rottweil auf Platz 2 der Teamwertung, an der Bayrischen Meisterschaft im Rutschenpark Erding teilnehmen. Dort stehen zwei 320-Meter-Röhren. "Angst darf man nicht haben", sagt Wienzek mit dem Lächeln des Draufgängers.

www.speedchuting.de